Ein Kampf für „Freiheit, Frieden und Brot“

von Martina Drexler

(KN, 17. Juli 2012, S.20)

Kiel. Vor fast 95 Jahren schrieb Kiel Geschichte, als der Aufstand der Matrosen und Arbeiter das Ende des Kaiserreiches einläutete und zur Ausrufung der ersten Republik führte."

"Ihren Anfang nahm die Revolution, als Matrosen der Hochseeflotte in Wilhelmshaven dagegen meuterten, in einer aus ihrer Sicht sinnlosen letzten Todesfahrt gegen England verheizt zu werden. Um die aufkeimenden Unruhen niederzuschlagen, entschloss sich die Admiralität, das III. Geschwader in seinen Heimathafen Kiel zu verlegen und die 47 Rädelsführer dort in verschiedene Arrestanstalten zu bringen. Doch in Kiel brodelte es schon seit mehr als einem Jahr gewaltig: Die Verzweiflung der kriegsmüden und hungrigen Bevölkerung war in Streiks und Widerstand von Soldaten wie Albin Köbis umgeschlagen. Der Matrose wurde im Herbst 1917 standrechtlich erschossen."

"Der Hauptort der Revolution war die frühere, riesige Kasernenstadt mit Lazarett und Bekleidungsmagazin zwischen der früheren Oberfinanzdirektion an der Lornsenstraße, dem „Langen Segen“ und der Feldstraße – früher Karlsstraße. Dort marschierten am 3. November etwa 6000 Soldaten und Arbeiter auf, um mit einem Demonstrationszug für „Freiheit, Frieden und Brot“ die Freilassung der Inhaftierten zu erreichen. Losgezogen war der Zug auf dem „Großen Exerzierplatz im Vieburger Gehölz“, heute der Bereich rund um den Fernsehturm, am Bahnhof vorbei über die Brunswiker Straße bis in die untere Feldstraße. An der Ecke Langer Segen/Karlsstraße wollten kaisertreue Soldaten den Marsch stoppen und schossen in die Menge, worauf die Aufständischen das Feuer erwiderten. Sieben Menschen starben, 29 wurden verletzt. An das Blutbad erinnert heute eine schlichte Tafel an der Vorderfront des Landesverbandssitzes der Arbeiterwohlfahrt – gestiftet 1994. Das Feuergefecht löste den bewaffneten Aufstand und einen Generalstreik aus, Am Abend war Kiel in der Hand von Arbeitern und Soldaten, die Räte gründeten."

"Auf den Schiffen der Marine wurde die kaiserliche Flagge eingeholt und stattdessen die rote der Revolution gehisst. Am 9. November dankte Kaiser Wilhelm II. ab, Philipp Scheidemann rief in Berlin die Republik aus. mad

s. auch den Artikel von Martina Drexler vom gleichen Tage

Rolle der Matrosen. Revolution von 1918 (Martina Drexler)